Herbert Weiß: Beitrag zu mehr Fairness?

Wie sich die künstliche Intelligenz (KI) auf unser künftiges Leben auswirken wird, können wir derzeit noch nicht einmal erahnen. Schon werden Vergleiche mit der Erfindung des Buchdrucks oder etwa mit der industriellen Revolution gezogen. Besonders spannend finde ich die folgenden Thesen: Bill Gates ist davon überzeugt, „dass Chatbots künftig Kindern das Lesen und Schreiben beibringen könnten.“ (1) Konrad Paul Liessmann schreibt: „Bald wird es Menschen geben, die das, was sie von der KI machen lassen, nicht mehr verstehen, weil ihnen die intellektuellen Voraussetzungen dafür abhandenkommen.“ (2) Liessmann verweist auf Georg Wilhelm Friedrich Hegel, der die pikante These vertrat, dass der Herr gerne faul werde und vergesse, dass der Knecht, der für ihn arbeitet, alle Kenntnisse und Fähigkeiten an sich ziehe. Für Liessmann wird das in der digitalen Welt genauso sein.

Einig sind wir uns wohl alle darin, dass sich die KI sehr stark auf die Schule auswirken wird. Das betrifft sowohl den Unterricht als auch jede Art von Prüfungen. Die Handreichung des Bildungsministeriums zum Umgang mit KI, die in der jeweils aktuellen Fassung unter https://www.bmbwf.gv.at/ki zu finden ist, widmet sich der Individualisierung von Lernprozessen und der Unterstützung von Lehrpersonen. Auch auf das Thema Vortäuschen von Leistungen mithilfe von KI wird eingegangen. Bei den vom Ministerium angebotenen „Lösungsansätzen“ fühle ich mich als Lehrer aber derzeit noch ein wenig alleine gelassen.

Über Wohl und Wehe dieses neuen Tools ist man sich noch nicht einig. Böse Zungen könnten nun behaupten: „Endlich wird die Beurteilung der VWA wieder fairer. Bei der Beurteilung spielt nicht mehr die Geldtasche der Eltern, sondern nur der geschickte Umgang mit dem KI-System eine Rolle.“ Manche gehen so weit zu behaupten, dass mit KI die Matura endgültig zu Grabe getragen werde, und sehen das sogar als Fortschritt.

Ich aber meine: Arbeiten wir doch gemeinsam an der Weiterentwicklung der Schule, und nützen wir die KI so, dass sie allen Beteiligten zugutekommt! Machen wir in diesem Sinn aus der Matura eine Abschlussprüfung, bei der den mündlichen Leistungen der Kandidat:innen mehr Gewicht beigemessen wird, bei der sich junge Menschen beweisen und auf die alle Beteiligten stolz sein können!

(1) Chat GPT: Bill Gates sieht KI-Bots als Lehrer. In: golem.de vom 24. April 2023.

(2) Konrad Paul Liessmann, Herr und Knecht. In: Wiener Zeitung online vom 23. April 2023.

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Ein Gedanke zu “Herbert Weiß: Beitrag zu mehr Fairness?

  1. Ich sehe da eine Parallele zwischen KI und Fernschach:

    Bei einer Fernschach-Partie (wo der Gegner z.B. in Tokyo sitzt) wurden früher die Züge mittels Postkarten ausgetauscht, und eine einzige Partie konnte schon mal zwei Jahre dauern. Jetzt läuft das natürlich über E-Mail. Und es ist im Fernschach nicht nur erlaubt, sondern sogar unerlässlich, seine Züge mit Hilfe von Schachcomputern zu machen (sonst hat man keine Chance).
    Die (bedenkliche) Pointe besteht nun darin, dass Fernschachpartien heutzutage fast nur noch remis ausgehen: Bei den Computerprogrammen herrscht (mehr oder weniger) Waffengleichheit. In einem Fernschachturnier enden typischer Weise von 10 Partien 9 unentschieden. Beim „normalen“ Schach (wie z.B. beim gerade laufenden Weltmeisterschaftskampf) ist das nicht so, da werden Computer nur in der Vorbereitung (und nachträglichen Analyse) eingesetzt.

    Was heißt das für den Schulbetrieb?
    KI für die Vorbereitung (Schüler und Lehrer) – selbstverständlich.
    KI für die Nachbereitung – na hoffentlich! Welcher Lehrer (eines Schularbeitsfaches) träumt nicht sein Leben lang davon, die lästige Korrekturarbeit delegieren zu können? Noch dazu an eine Institution, deren Objektivität niemand in Zweifel ziehen kann?
    KI auch als Tool für Prüfungen? Da wird die „Prüfung“ dann zur Farce. Da sind wird dann bei der Parallele zum Fernschach: alles wird gleich. Wörterbücher und Formelsammlungen als Hilfsmittel bei Prüfungen erfordern wenigstens deren sachkundigen Gebrauch, aber wie Schüler KI „sachkundig“ z.B. in einer Englisch-Klausur einsetzen sollen, sodass sich die Ergebnisse in den Notendefinitionen von „Sehr gut“ bis „Nicht genügend“ wiederfinden – das übersteigt mein Vorstellungsvermögen.
    Und KI bei einer VWA? Wo die KI Quellen einfach erfindet, wie man liest?

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