Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

Es darf kein einziger Mensch in der Schule unterrichten, der mit Sexualstraftaten in Verbindung gebracht wird“, verkündete der Unterrichtsminister vor wenigen Tagen. Deshalb müssten LehrerInnen „künftig bei ihrer Anstellung eine Erklärung unterzeichnen, dass sie in keiner Weise mit Sexualstraftaten in Verbindung gebracht werden können.“ (1)

So selbstverständlich die erste Aussage ist, so sehr irritiert die zweite. Sie erinnert an manche Fragen, die man bei der Einreise in die USA beantworten muss, wie etwa „Beabsichtigen Sie, sich an terroristischen Aktivitäten, Spionage, Sabotage oder Völkermord zu beteiligen oder haben Sie sich jemals an solchen Aktivitäten beteiligt?“ (2) Wer beantwortet Fragen wie diese mit einem Ja?

Durch die Ankündigung einer solchen Erklärung sehen sich viele PädagogInnen einem Generalverdacht ausgesetzt. (3) Der Minister hätte auch das darstellen können, was die Leiterin des Kinderschutzzentrums Wien beschreibt: „Pädagoginnen und Pädagogen seien […] ganz oft die wesentlichen Vertrauenspersonen für Kinder und häufig auch die ersten Erwachsenen, die von Gewalt und Missbrauch erfahren.“ (4) Rund die Hälfte der Kontaktaufnahmen mit dem Kinderschutzzentrum kommt nicht von direkt Betroffenen, sondern von „Helferinnen“ wie ElementarpädagogInnen, LehrerInnen oder PsychologInnen. (5)

Das Anliegen des Ministers, möglichst effizient gegen Kindesmissbrauch vorzugehen, ist voll und ganz zu unterstützen. Das Wie ist allerdings zu hinterfragen.

(1) Kindesmissbrauch: Lehrer müssen Erklärung unterzeichnen. In: ORF online vom 28. Jänner 2023.

(2) Siehe https://estatousa.com/de/esta-formular-fragen-liste-was-werden-sie-gefragt-werden-warum/.

(3) Lehrer reagieren empört auf „Generalverdacht“. In: Krone online vom 31. Jänner 2023.

(4) Kinderschutz in der Praxis. In: ORF online vom 2. Februar 2023.

(5) Siehe ebenda.

Bild lizenziert von BIGSTOCKPHOTO.


Ein Gedanke zu “Das Gegenteil von gut ist gut gemeint

  1. Lieber Doktor Quin! Ausnahmsweise einmal kann ich ihren sonst so brillanten Ausführungen nicht zustimmen. Ich glaube, das erste mal seit 20 Jahren. Die Äußerung des BM bezieht sich auf das rechtliche Problem der sofortigen Entlassung eines Verdächtigen. Um eine solche sicher zu stellen ist eine solche Erklärung sehr hilfreich. Ich erinnere mich noch an eine Vielzahl von Fällen, wo das Arbeitsgericht von mir völlig berechtigt ausgesprochene Entlassungen aufgehoben hat. Auch ich würde heute so eine Erklärung verlangen!
    Mit freundlichen Grüßen in alter Verbundenheit Fritz Koprax

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