Knapp vor den Herbstferien hat Bildungsminister Polaschek die „größte Lehrkräfteoffensive der Zweiten Republik“ angekündigt. Mit der Initiative „Klasse Job“ sollen die „Erzählung von Schule“ modernisiert, das Personalmanagement und „Recruiting“ intensiviert und die Ausbildung weiterentwickelt werden. (1)
Allen diesen Vorhaben stimme ich voll und ganz zu. Ob man mit der Aktion den Mangel an LehrerInnen aber wirklich merklich wird reduzieren können, wird aus meiner Sicht sehr stark davon abhängen, ob man auch bereit ist, die Bedingungen für die schon im Dienst befindlichen LehrerInnen zu verbessern. Dabei geht es sowohl um finanzielle Aspekte als auch um die Entlastung, die gerade die KollegInnen im neuen Dienstrecht dringend brauchen. Besonders wichtig erscheint mir aber, die Rolle der LehrerInnen bzw. der Schule an sich für die Gesellschaft zu hinterfragen.
Der von Bildungsminister Polaschek verwendete Begriff „neues Lehrerbild“ erscheint mir unglücklich gewählt. Es geht nicht um ein neues, sondern um ein realistisches Bild von uns LehrerInnen. Das Bild der Gesellschaft oder vieler „BildungsexpertInnen“ beruht oft auf zum Teil schon Jahrzehnte zurück liegenden eigenen Erfahrungen und ist zum Teil sehr weit von der Realität entfernt. Man wird sich einerseits die Frage stellen müssen, ob man den LehrerInnen, wenn man ihnen z. B. immer mehr Erziehungsaufgaben überantwortet, nicht auch die nötigen Erziehungsmittel wird zur Verfügung stellen müssen. Andererseits wird man auch klare Grenzen ziehen müssen. LehrerInnen können nicht alles reparieren, was in den Familien oder in der Gesellschaft nicht funktioniert.
(1) Siehe Polaschek startet Lehrkräfteoffensive. In: ORF online vom 25. Oktober 2022.
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1. Minister Polaschek soll sich zuerst einmal darum kümmern, dass sein Ministerium wenigstens das Handwerkliche z’sammbringt: etwa einer (Quer)einsteigerin in den Lehrberuf bereits spätestens im Juli mitzuteilen, ob sie überhaupt aufgenommen wird. Und was sie verdient.
2. Was die „Erzählung von Schule“ betrifft, so ist Schule in der Öffentlichkeit immer noch der Ort, wo die Lehrer neun Wochen Sommerferien haben.
Bis jetzt ist noch niemand auf die Idee gekommen, einmal darauf hinzuweisen, dass Lehrer Saisonarbeiter sind. „Lehrer = Saisonarbeiter“ – diese Assoziation ist aus irgendwelchen Gründen verpönt, vielleicht weil man dann zu nahe an den Hacklern am Bau wäre?
Die große Lehrerarbeitszeitstudie Anfangs dieses Jahrtausends ist seinerzeit postwendend verpufft – eine versäumte Gelegenheit, um klar zu machen, dass es um die Jahresarbeitszeit geht, und dass diese bei Lehrern auf demselben Niveau liegt wie bei allen anderen Vollzeitbeschäftigten auch – in der Gegend von 1.700 bis 1.800 Stunden. (Mit dem neuen Lehrerdienstrecht ist es an AHS und BHS noch mehr geworden.)
Aber solange nicht einmal ein so einfaches (zahlenmäßig zu belegendes) Thema in Angriff genommen wird – was soll da bei einer neuen „Erzählung von Schule“ schon herauskommen?
Der Titel alleine steht doch bereits unter Schwadronier-Verdacht.
Geschätzter Eckehard!
Ich habe lange über das Mail von BM Polaschek nachgedacht und komme zu mehreren Schlüssen. Die Erzählung des Berufes auf eine positive Weise zu framen und eine bessere „Studierbarkeit“ des Berufs zu gewährleisten, sind begrüßenswerte Schritte. Es braucht aber weit, weit mehr. Als oberste Priorität müsste ein viel stärkeres Commitment (in den verschiedensten Formen von Wertschätzung) von Seiten der gesamten politischen und gesellschaftlichen Elite für pädagogische Berufe Platz greifen. Wer (von den politisch und gesellschaftlich relevanten Personen) streicht den heute die Leistungen von Pädagog_innen nach/während multipler Krisen heraus oder erwähnt die Bedeutung des Berufes für die Stärkung der demokratischen Gesellschaft und erfolgreiche Lebensläufe? Ich höre sehr viel von – zugegeben – wichtigen Tagesthemen wie der Bekämpfung der Teuerung und der Korruption oder die Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit, aber das Thema Bildungsoffensive wird vom Bundespräsidenten abwärts nur am Rande thematisiert. Wird das Thema bei der NÖ-Landtagswahl überhaupt über der Wahrnehmungsschwelle sein oder poppt vorrangig Populistisches in Politik und Presse auf? Aus meiner Sicht braucht es den Versuch eines Kulturwechsels. Bildung ist uns sehr viel wert und Pädagog_innen sind äußerst wichtige und geschätzte Player im Staat. Universitäten, Schulen und Kindergärten werden großzügig mit (Geld und Supportpersonal) gefördert, sodass Pädagog_innen sich wertgeschätzt auf ihre Kernarbeit konzentrieren können. Leiter_innen von der Elementarpädagogik bis zur Universität bekommen mehr Unterstützung und eine bessere Bezahlung.
Dann bestünde die Chance auf viele interessante Anwärter_innen im gesamten pädagogischen Feld. Die gilt es zu gewinnen! Der Versuch von BM ist gut gemeint, aber es wird ihm der lange Atem fehlen. Leider!
Beste Grüße
Leo