Gudrun Pennitz: Worauf warten wir?

Mehr als ein Viertel (1) aller 1,14 Millionen SchülerInnen Österreichs spricht eine nicht-deutsche Umgangssprache. Was es für die Bildungschancen eines jungen Menschen bedeutet, eine nicht-deutsche Umgangssprache zu sprechen, führt folgende kompakte Zusammenstellung klar vor Augen:

Deren Gefährdung,

  • nicht einmal die Sekundarstufe I erfolgreich abzuschließen, steigt beinahe auf das Dreifache (2).
  • die Schullaufbahn bereits nach dem Ende der Sekundarstufe I zu beenden, steigt ebenfalls beinahe auf das Dreifache (3).
  • eine für die Sekundarstufe II gewählte höhere Schule im Lauf der Oberstufe ohne Abschluss zu verlassen, verdoppelt sich beinahe. Über 40 % der SchülerInnen, die mit einer nicht-deutschen Umgangssprache die Oberstufe an einer AHS begonnen haben, verlassen sie ohne Abschluss, an der BHS trifft dies sogar für eine Mehrheit von ihnen zu. (4)

Es handelt sich bei diesen brisanten Daten um keinerlei Staatsgeheimnis. Seit vielen Jahren wird immer wieder dokumentiert, wie wichtig Sprache für Bildungserfolg ist. „Früher Schulabbruch ist unter Jugendlichen mit einer anderen Erstsprache als Deutsch häufiger (11 %) als unter deutschsprachigen Jugendlichen (3 %).“ (5) Wer seine Schullaufbahn ohne Abschluss der Sekundarstufe II beendet, hat in Österreichs Berufswelt wenig Chancen, ist auf dem „besten“ Weg an den Rand der Gesellschaft.

Wer will vor diesem Hintergrund noch leugnen, dass Handlungsbedarf gegeben ist, um zu mehr Chancengerechtigkeit zu gelangen? „Ich wünsche Österreich eine Politik, die sich ihrer Verantwortung für die Zukunft unseres Landes bewusst ist und erkennt, dass ein Versagen in der Migrations- und Integrationspolitik das fortschreitende Zerbrechen unserer Gesellschaft beschleunigt“, lautete Eckehard Quins dramatischer Appell letzte Woche. (6) Dem schließe ich mich leidenschaftlich an. Österreich möge den Weg in eine gute Zukunft finden!

(1) Siehe Statistik Austria (Hrsg.), Bildung in Zahlen 2020/21. Tabellenband (2022), S. 188.

(2) Siehe a.a.O., S. 219.

(3) Siehe a.a.O., S. 224.

(4) Siehe a.a.O., S. 281 u. 297.

(5) Statistik Austria (Hrsg.), Migration & Integration. Zahlen. Daten. Indikatoren 2021 (2021), S. 8.

(6) Eckehard Quin, Handlungsbedarf. In: QUINtessenzen vom 28. Mai 2022. Bild lizenziert von BIGSTOCKPHOTO.


Ein Gedanke zu “Gudrun Pennitz: Worauf warten wir?

  1. @: „ Was es für die Bildungschancen eines jungen Menschen bedeutet, eine nicht-deutsche Umgangssprache zu sprechen, führt folgende kompakte Zusammenstellung klar vor Augen: …“

    Mir kommt diese Statistik bzw. deren Interpretation („nicht-deutsche Umgangssprache führt zu Nachteilen im schulischen Fortkommen“) verdächtig vor.

    „Menschen mit Runzeln haben ein höheres Herzinfarkt-Risiko als Menschen mit glatter Haut.“ – Ja eh, dieser Befund ist wahrscheinlich statistisch unangreifbar. Aber es sind nicht die Runzeln, sondern es ist das Alter.
    Bei den Sprachen heißt es doch immer, es sei gut für Kinder, zweisprachig aufzuwachsen. Und jetzt sollte das auf einmal nicht mehr gelten? Ich kenne eine bosnische Familie, die während des dortigen Krieges nach Österreich gekommen ist – mit drei Kindern. Alle drei haben erfolgreich studiert. Der Familienvater ist übrigens Ingenieur, die Mutter ist Lehrerin, also bildungsaffiner Hintergrund.
    Und das ist auch der Grund, warum ich der von Koll. Pennitz zitierten Studie misstraue: In Österreich haben wir einen hohen Anteil von mehrsprachigen Familien, die bildungsFERNEN Schichten zugerechnet werden müssen. Das ist wohl der wahre Grund für die schlechten Leistungen in der Schule, nicht die Erstsprache zu Hause.

    Es sind nicht die Runzeln, es ist das Alter.

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